"Brigitte hat Inge betrogen!", jubiliere ich. Meine Busenfreundin Irma sieht mich empört an. "Du freust dich, Mette?" Ich spüre ihre Hände auf meinen Schultern, als würde sie mich am liebsten durchschütteln.
"Es wird auch Zeit, dass sie auseinander gehen." Mir kann nichts geschehen: Ich bin einen Kopf größer als Irma und wahrscheinlich auch viel stärker.
"Wieso bist du nur so bösartig?", fragt sie und steigt auf die Treppenstufe vor ihrem Haus. "Gönnst du ihnen kein Glück?"
"Inge hat mir schon immer gefallen", sage ich ohne eine Spur von schlechtem Gewissen. "Wie sie tanzt! Wie sie lacht! Ihre Stimme zieht mich magisch an. Und ihre Augen erst ..."
Irma sucht nach dem Hausschlüssel und gibt zu: "Sie ist eine Weichspülerin der Herzen."
"Bis jetzt hatten Inge und ich immer Pech." Ich ärgere mich. "Entweder war sie in einer Beziehung oder ich."
"Und jetzt endlich beide gleichzeitig solo?", fragt Irma. "Du willst sie doch nicht etwa trösten?"
"Nur eine Nacht. Diese gebe ich ihr ja am nächsten Tag wieder zurück!", erwidere ich.
Irma verzieht das Gesicht. "Eine Nacht kann eine nicht zurückgeben." Sie steckt den Schlüssel ins Schloss.
Meine Busenfreundin hat Recht, Inge die Nacht dann wiederzugeben, macht keinen Sinn.
"Duhu, Irmahaaa, wohin geht Inge eigentlich, wenn sie ausgeht?" Irma muss es wissen. Inge und Brigitte gehören zu ihrem Freundinnenkreis.
"Hast du mich nicht gehört, Mette! Inge ist todunglücklich!"
"Wenn sie wegen so einer Lappalie mit Brigitte Schluss macht, ist sie selber ..."
"Du würdest dich nicht trennen?", unterbricht mich Irma und schaut auf mich herab.
"Wir leben nur einmal. Jede hat das Recht ihr Leben so zu gestalten, wie sie es für richtig hält." Ich steige neben sie auf die Treppenstufe.
"Du glaubst doch nicht etwa an das Motto: Sei dir selber treu! Ohne Rücksicht auf Verluste!", sagt Irma und sieht aus, als ob sie mich von der Treppe stoßen möchte. Ich halte mich vorsorglich am Geländer fest. "Je glücklicher meine Frau ist, desto friedlicher ist die Beziehung. Und", ich hebe die Stimme, "wenn zu diesem Glück alle Jahre wieder Naschen an fremder Haut gehört, warum nicht?" Über Treue diskutiere ich nicht mit Irma. Ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet haben hässliche Narben hinterlassen. Und die interessieren mich gerade nicht. Ich will Inge! Sie steht schon so lange auf meiner imaginären Liste. Diejenige, die mir immer als Erste einfällt, wenn ich mal wieder Single bin. Inge kann mir nicht entkommen. Außer sie zieht in eine andere Stadt. Aber auch dann ist es nur eine Frage der Zeit, dass wir uns wieder begegnen werden.
"Du bist so ein egoistisches Weib!", ruft Irma und rennt die Treppe hinauf.
"Ich begehre sie. Das ist alles!", schreie ich ihr hinterher.
"Bevor du etwas brennend begehrst, solltest du das Glück derer prüfen, die es bereits besitzen", glaubt Irma das Killerargument gefunden zu haben.
"Lass mich bloß mit deinem François de La Rochefoucauld in Ruhe, der hat ja keine Ahnung. Seit wann nimmst du es wie ein Mann -und nervst!" Aber grundsätzlich bin ich derselben Meinung. Nur andersherum: Wer sich wegen eines Sprungs auf die Seite trennt, ist nichts für mich. Auch wenn ich noch nie innerhalb einer Beziehung fremdgegangen bin, möchte ich frei sein zu gehen, wohin meine Füße mich tragen. Und mein Schoss mich zieht.