Dienstag, 19. März 2024
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Kolumne #34

Singles und andere Menschen

"Ich bin neurotisch!", jammere ich Irma vor. "Mensch, Mette, lass mich raten. Du hast dich wieder einmal getrennt. Eure Neurosen passten nicht zusammen, richtig?" Treffer, versenkt. Mein Handtuch landet im Wäschekorb. Das schaffe ich. Aber sonst? Als Singlefrau bin ich peinlich, unattraktiv und in meinem Alter längst vom Markt. Da kann ich den 39. Burzeltag so oft feiern, wie ich will.

Die Leute sind ja nicht dumm. Sie wissen, Singles hapert es an Geselligkeit, Ausdauer und Kontaktfreude. Kein Wunder. Mein Selbstbewusstsein lahmt. Ja, ich bin ein unbefriedigtes, einsames, armes Lesbelein. Und ganz allein.

"Du hast also auch diese sozialpsychologische Studie aus Sussex gelesen", stellt Irma fest. "Die hat doch nur herausgefunden, dass Singles ein mieses Image haben."

Sie cremt ihre Oberschenkel, als sei die Hautfütterung das Wichtigste beim Wellness. Ich hüpfe auf einem Bein, um das Wasser aus dem Ohr zu schütteln. Die Studie stimmt. Menschen sind unerträglich. Egal, ob sie auf einer Insel wohnen oder auf dem Festland. Und wer sie nicht aushält, ist unfähig. Liebesunfähig, beziehungsunfähig, gesellschaftsunfähig. Voll gestört. Single eben. Ich beiße mir auf die Lippen.

Irma streicht über den Ansatz ihres Bäuchleins. "Meine Frau hasst meine Liebesüppigkeit."
In ihren Beziehungen nimmt Irma immer zu. Vier Kilo, mindestens.

"Dabei braucht sie selbst einen neuen Bikini. Gleich zwei Nummern größer."

Schuld sind die romantischen Diners im trauten Heim. Und Fitness? Die findet nur noch auf der Matratze statt. Oder davor. Wenn Irma nicht erkältet im Bett liegt. Küsse sind die ärgsten Bakterienschleudern. Manche Leute behaupten, Zungengymnastik stärke das körpereigene Abwehrsystem, doch Irma ist der lebende Gegenbeweis. Schweißtropfen stehen ihr auf der Stirn, aber das ist normal in der Sauna.

"Darf ich heute Nacht bei dir schlafen?", fragt sie und knöpfelt ihre Jeans zu. "Ich brauche dringend Schlaf. Meine Frau sägt ganze Wälder. Und ich liege neben ihr wach. Ich kann schon nicht mehr richtig denken."

Was hat das jetzt mit mir als Single zu tun? Will sie mir zeigen, dass Beziehungen unerträglich sein können?

"Fertig?", frage ich ungerührt. Sie nickt. "Bitte. Ich bin so müde. Mein Schlafrhythmus ist völlig am Boden. Und der Blutdruck steigt. Wir streiten, über Bauch und Schnarchen. Alles Nebenschauplätze. Höchst unerfreulich, das Ganze."

Ganz schwach erinnere ich mich, dass selbst glückliche Beziehungen ihre Mankos haben. Will ich so etwas? Irma hat sich schon wieder im Griff. Sie nörgelt wirklich nur ganz, ganz selten. Meist dann, wenn sie müde ist, zu wenig Schlaf bekommt und Sport zum Fremdwort geworden ist.

"Auf unsere Lebenszufriedenheit hat eine Partnerin kaum Einfluss", sagt sie. "Nur zu einem Prozent bestimmt die Beziehung das Glücksgefühl." Irma greift nach meinem Arm. "Bitte mach mich heute Abend glücklich und lass mich in dein Bett."

Ich weiß, sie will nur schlafen. Und solange sich meine Freundinnen in mein Bett einladen, ist mein Wunsch nach einer Partnerin fürs Leben wie ausgeschwitzt.

"Wehe, du schnarchst!"