"Was ist das?", schrie ich. Irma stürzte mit einem Pantoffel in der Hand ins Badezimmer. "Kakerlaken? Ratten? Einbrecher? Alles kein Problem, Mette." Ich zeigte auf einen kaum wahrnehmbaren Strich, wie mit einer Feder gezogen und dünner grauer Tinte, der sich kühn in einer Kurve am Augenwinkel hochzog.
"Was ist das!", rief ich, kurz vor einer Ohnmacht.
Enttäuscht ließ Irma den Pantoffel fallen. "Mette, was soll das schon sein?" Sie zuckte mit den Achseln. "Das Leben modelliert seine Spuren in dein Gesicht", sagte sie. "Und das heißt auf gut deutsch: Faltenwurf! Er ist ein universales Bauprinzip."
Sie machte es geschickt, meine Busenfreundin. Sie wollte mich trösten. Dabei verzichtete sie auf Madame de Pompadour und deren Ausspruch: "Seien Sie immer heiter, wenn Sie immer schön bleiben wollen." Irma betete herunter, was auf diesem Globus noch so alles in Falten lag außer mein Gesicht. "Die Gebirge sind der erhabenste Ausdruck des allumfassenden Knitterns. Ob die gigantischen tektonischen Platten des Erdmantels beim Aufeinanderkrachen den San-Andreas-Graben in Kalifornien oder den majestätischen Himalaja in Asien formten: Stets wurde mit Urgewalt gefaltet. Mit mehr Zartgefühl, aber derselben Methode", erklärte sie, "geht die Natur im Mikrokosmos vor, wie beim DNA-Strang im Kern jeder Körperzelle oder den Eiweißmolekülen in unserem Körper."
Es war mir völlig gleichgültig, ob das große Knittern von den Flügeln der Heuschrecken über den Himalaja bis zu unserer Großhirnrinde reichte. Oder sogar die Haut des Planeten Merkur bevölkerte. In meinem Gesicht hatten sich Runzeln nicht zu verewigen. Ich wollte glatt gebügelte Falten und überlegte mir, mich unters Messer zu legen. Ich schaute mich um, was ich verkaufen könnte. Für die angebrochene WC-Rolle und die gebrauchte Klobürste würde ich wohl keine Käuferin finden.
"Fast nichts ist ohne Falte - wenn du genau hinschaust!", sagte Irma und schnitt neben mir im Spiegel Grimassen. Sie schien die Topographie ihres Gesichts vollkommen zu beherrschen. Als sie wieder normal schaute, wurde mir klar, dass sie in Wahrheit nicht die Herrschaft über ihr Gesicht hatte. Zwei Linien gruben sich wie ein Lineal gerade unterhalb der Augen, eine rechts, eine links, mitten durch die Wangen. Auf Irmas Apfelbäckchen waren mir die noch nie aufgefallen.
Als ich wieder in den Spiegel sah, hatte ich das Gefühl, er zwinkere mir zu und sänge dazu den "Spieglein an der Wand"-Song. Ohne ihn hätte ich nichts von meinen Runzeln gewusst. Trotzdem! "Ich bin doch kein Rock, keine Serviette oder ein Vorhang", empörte ich mich. Irma lachte und entgegnete: "Hat man denen je Vorwürfe wegen ihrer Falten gemacht?"
"Irma! Komma blöde!" Was hätte ich anderes sagen sollen.
"Ach, Mette", seufzte sie. "Sei so schlau wie die Schimpansen. Die finden faltige Haut, zottelige Ohren und kahle Stellen sexy. Das haben Forscher von der Boston University herausgefunden. Wenn ich ehrlich bin", Irma legte die Stirn in Falten, "je älter ich werde, desto stärker werde ich hofiert und habe insgesamt mehr sexuelle Kontakte als noch vor einigen Jahren. Frauen wissen gereifte Früchte eben zu schätzen."
"Was ist das?", schrie ich. Irma stürzte mit einem Pantoffel in der Hand ins Badezimmer. "Kakerlaken? Ratten? Einbrecher? Alles kein Problem, Mette." Ich zeigte auf einen kaum wahrnehmbaren Strich, wie mit einer Feder gezogen und dünner grauer Tinte, der sich kühn in einer Kurve am Augenwinkel hochzog.
"Was ist das!", rief ich, kurz vor einer Ohnmacht.
Enttäuscht ließ Irma den Pantoffel fallen. "Mette, was soll das schon sein?" Sie zuckte mit den Achseln. "Das Leben modelliert seine Spuren in dein Gesicht", sagte sie. "Und das heißt auf gut deutsch: Faltenwurf! Er ist ein universales Bauprinzip."
Sie machte es geschickt, meine Busenfreundin. Sie wollte mich trösten. Dabei verzichtete sie auf Madame de Pompadour und deren Ausspruch: "Seien Sie immer heiter, wenn Sie immer schön bleiben wollen." Irma betete herunter, was auf diesem Globus noch so alles in Falten lag außer mein Gesicht. "Die Gebirge sind der erhabenste Ausdruck des allumfassenden Knitterns. Ob die gigantischen tektonischen Platten des Erdmantels beim Aufeinanderkrachen den San-Andreas-Graben in Kalifornien oder den majestätischen Himalaja in Asien formten: Stets wurde mit Urgewalt gefaltet. Mit mehr Zartgefühl, aber derselben Methode", erklärte sie, "geht die Natur im Mikrokosmos vor, wie beim DNA-Strang im Kern jeder Körperzelle oder den Eiweißmolekülen in unserem Körper."
Es war mir völlig gleichgültig, ob das große Knittern von den Flügeln der Heuschrecken über den Himalaja bis zu unserer Großhirnrinde reichte. Oder sogar die Haut des Planeten Merkur bevölkerte. In meinem Gesicht hatten sich Runzeln nicht zu verewigen. Ich wollte glatt gebügelte Falten und überlegte mir, mich unters Messer zu legen. Ich schaute mich um, was ich verkaufen könnte. Für die angebrochene WC-Rolle und die gebrauchte Klobürste würde ich wohl keine Käuferin finden.
"Fast nichts ist ohne Falte - wenn du genau hinschaust!", sagte Irma und schnitt neben mir im Spiegel Grimassen. Sie schien die Topographie ihres Gesichts vollkommen zu beherrschen. Als sie wieder normal schaute, wurde mir klar, dass sie in Wahrheit nicht die Herrschaft über ihr Gesicht hatte. Zwei Linien gruben sich wie ein Lineal gerade unterhalb der Augen, eine rechts, eine links, mitten durch die Wangen. Auf Irmas Apfelbäckchen waren mir die noch nie aufgefallen.
Als ich wieder in den Spiegel sah, hatte ich das Gefühl, er zwinkere mir zu und sänge dazu den "Spieglein an der Wand"-Song. Ohne ihn hätte ich nichts von meinen Runzeln gewusst. Trotzdem! "Ich bin doch kein Rock, keine Serviette oder ein Vorhang", empörte ich mich. Irma lachte und entgegnete: "Hat man denen je Vorwürfe wegen ihrer Falten gemacht?"
"Irma! Komma blöde!" Was hätte ich anderes sagen sollen.
"Ach, Mette", seufzte sie. "Sei so schlau wie die Schimpansen. Die finden faltige Haut, zottelige Ohren und kahle Stellen sexy. Das haben Forscher von der Boston University herausgefunden. Wenn ich ehrlich bin", Irma legte die Stirn in Falten, "je älter ich werde, desto stärker werde ich hofiert und habe insgesamt mehr sexuelle Kontakte als noch vor einigen Jahren. Frauen wissen gereifte Früchte eben zu schätzen."