Dienstag, 19. März 2024
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Kolumne #13

Toller Gaul

"Diese blöde Stutenbissigkeit", schimpfe ich ins Telefon. Meine Augen blitzen. Feuergefahr für jeden Strohballen im Umkreis von 10 Kilometern. Ich bin froh, Irma meilenweit entfernt in Sicherheit zu wissen.

"Wer hat dich denn so aufgebracht?", fragt Irma in einem Ton, der sogar einen nervösen Gaul beruhigen würde.

"Aufgebracht? Ich bin rasend!" Ich reiße mich zusammen. "Die doofe Paula ist befördert worden. Nachdem sie mit der Chefin, quatsch, ich meine, mit meinem Chef ins Bett gehüpft ist."

In Irmas Stimme höre ich unterdrücktes Hohngelächter. "Hast du durchs Schlüsselloch gespinxelt? Oder unter dem quietschenden Bett gescharrt?"

So was hält ja kein Pferd aus, geschweige denn ich. "Die Beförderung gehört mir, liebste Irma. Und nicht dieser, dieser, dieser ... Ach, du weißt schon."

"Mette, du meinst Paula, oder?"

"Ja, meine Liebe, genau diese Schlampe. Seit einem Jahr bespringt sie jeden Mann im Büro, der bei drei nicht auf dem Schreibtisch ist."

Irma wiehert in den Telefonhörer. "US-Psychologen haben herausgefunden, dass Beischlaf ganz selten zur Beförderung genutzt wird." Dann wird sie persönlich: "Wie war das eigentlich beim letzten Lohngespräch? Kriegst du nun, was du verdienst? Oder hast du dich nicht durchsetzen können? Dann verdienst du, was du bekommst."

Ich glaub`, mich tritt ein Pferd. Wohlweislich verschweige ich, dass ich am schlechtesten von allen bezahlt werde. Seit Jahren! Mein Boss nimmt meine Leistung als selbstverständlich hin, als ob ich zum Inventar zählte. Manchmal frage ich mich, unter welcher Rubrik er mich von der Steuer absetzt.

"Weiß dein Vorgesetzter überhaupt von deinen Ambitionen?", fragt Irma. "Weiß er von den Zusatzqualifikationen?"

Wenn der Telefonhörer größer wäre, würde ich reinkriechen. Ich säe fleißig Gras. Wer meine Arbeit bemerkt, dem schenke ich gleich die ganze Wiese. "Wenn Paula eine Lesbe wäre, hätte sie mich nie so hintergangen", schimpfe ich erneut. "Und wovon träumst du nachts?" Irma lacht schallend. "Auf dem Arbeitsmarkt herrscht Krieg. Jede will die Aufmerksamkeit des Vorgesetzten für sich selbst. Solidarität wird beim Pförtner abgegeben."

Empört widerspreche ich: "Wettkampf? Ach was! Alle im Team mögen mich und wenn nicht, umschmeichele ich sie. Indem ich sie um Rat frage. Oder ihre Arbeit für sie miterledige."

"Nur so nebenbei", bemerkt Irma, "hast du dich mal gefragt, warum Büro-Tyrannen die tollsten Jobs ergattern? Nicht nur wegen des Laufstegs aus Leichen unter ihren Hufen. Oh nein. Sie kommunizieren ihre Vorstellungen, Erfolge und Ziele, setzen sich mit aller Kraft für sich und ihren Job ein. Du bekommst doch sonst auch wen und was du willst. Warum nicht im Beruf?"

Manchmal nervt Irma wirklich. Besonders, wenn sie mich kalt erwischt. Bei der nächsten Beförderung mache ich es wie bei einer Frau, die ich unbedingt will. Denn eines ist klar: Die Strategien bei Karriere und Liebe liegen verdammt nahe beieinander. Selbst das beste Pferd im Stall muss so lange scharren, bis es bemerkt wird. Echt zum Wiehern, das Ganze.