Dienstag, 19. März 2024
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Kolumne #2

Mich laust der Affe

"Ich will mich als Bonobo verkleiden", sagt Irma. So viele hübsche Maskierungen zur Auswahl und meine beste Freundin macht sich zum Affen.

Die Verkäuferin führt sie zum Regal voller Affenkostüme. Irma stürzt sich auf die Fellimitate, als handele es sich um das letzte Sandwich vor dem Ausbruch eines Krieges. Sie zieht eins heraus und befingert das Kostüm im Schritt.

Ich schaue auf das kniende Häufchen Mensch hinunter, das in einem Polyesterhaufen zu ersticken droht. Ich traue meinen Ohren nicht, als sie zur Verkäuferin sagt: "Erlauben Sie mir die Bemerkung, der Orchideengriffel fehlt überall. Ich brauche das Kostüm eines Bonoboweibchens. Betonung auf Weibchen!"

Meine beste Freundin sucht nach einem sichtbaren, flammenden Docht des Eros. Mit einem Affenzahn überlege ich mir, welche Gründe ich haben könnte, um nicht mit ihr zum Maskenball zu müssen. Es geht mir gegen den Strich, mit unserem 8000 Nervenfasern durchzogenen kleinen Gehirn beim Gehen auf und ab zu wippen, so verführerisch wie die Klitoris eines Bonobos.

Irma sieht mir an, dass ich den Fluchtweg antrete. Ihre Augen werden zu kleinen Schlitzen.

"Männchen, Weibchen, Lesben, Schwule, Junge, Alte – einerlei. Die Losung heißt Sex, Poppen, genitogenitales Gerubbel rund um die Uhr. Hast du keinen Fernseher?", fragt sie so laut, dass die Verkäuferin zusammenzuckt.

Am liebsten würde ich sie mit Zucker füttern, zu spät, sie ist in ihrem Element: "Meine Liebste soll endlich wissen, dass ich bereit bin. Ich bin doch kein lahmendes Schaf in einer toten Hose."

"Aber auch kein Zwergschimpanse!", finde ich und weiß endlich, worum es geht. Sie hatte mit ihrer Freundin schon lange keinen Sex mehr, aus was für Gründen auch immer. Hängt der Verlauf einer Beziehung vom Begehren ab? Braucht es Sex, um eine Beziehung zwischen Liebenden zu vertiefen?

Irma kämpft um ihr Liebesleben, auf das sie nicht länger verzichten will. "Sex ist ein ethisches Regelwerk, das den Bonobos ein harmonisches Leben in der Gemeinschaft ermöglicht."

"Wir stammen vom Schimpansen ab. Affe ist nicht gleich Affe." Sie geht mir auf die Nerven.

"Je chaotischer die Laken, desto weniger fliegen die Tassen. Sex ist ein Allzweckinstrument, um Wogen zu glätten und Freundschaften zu schließen, eine Form Gefühle auszudrücken, auch wenn dies manchmal nur flüchtig geschieht", philosophiert sie und sucht immer noch nach dem passenden Kostüm.

Sex nach einer Streiterei kann sehr leidenschaftlich sein. Ich lecke mir die Lippen. Ohne Sex verwandelt sich ein Blinzeln zum falschen Zeitpunkt in einen wütenden Wochenendmarathon. Weist ein Streit darauf hin, sich im Bett zu entladen? Trauen wir uns nicht, weil wir ach so politisch korrekte Frauen sind? Auch beim Liebesspiel?

Plötzlich fällt mir die Mystikerin Hadewijch ein, der in einem Zustand starken Verlangens und leidenschaftlichen Liebeswahns die Gnade der Vision zuteil wurde. "Es ist eine Affenschande", sage ich zur Verkäuferin. "Die Klitoris eines Bonoboweibchens ist dreimal so groß wie ihre menschliche Entsprechung. Drunter machen wir es nicht."