Dienstag, 19. März 2024
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Kolumne #15

Endlich eine echte Lesbe

"Hanteln? Mensch, Mette, was willst du denn damit?", fragt Irma, als ich, völlig aus außer Atem, meine Wohnung aufschließe. Manchmal leidet Irma an einer verflixt langen Leitung. "Du kannst sie unter das Bett werfen." Sie sollte doch wissen, wo jedes lesbische Weibsbild ihre Hanteln hat. "Was? Mach das mal selber", murmelt Irma und verschwindet in der Küche. Ich folge ihr.

"Mette! Duuu gehst ins Fitness-Studio?" Meine beste Freundin hält mir den gestern unterschriebenen Vertrag unter die Nase. "Du könntest ruhig mit, liebe Irma." Abschätzend betrachte ich ihren Bauch. "Ich bin kurz vor der Mens", verteidigt sie sich. "Aber davon mal ganz abgesehen. Was ist los mit dir, Mette? Gefalle ich dir nicht mehr?" Beleidigt verzieht sie sich zum Rauchen auf den Balkon. "Willst du ein Bier?", frage ich und öffne den Kühlschrank. "Lieber Tee. Seit wann trinkst du Bier? Und auch noch aus der Flasche? Hast du alle Tassen im Schrank?" Wenn Irma wüsste, dass ich all den Weiberkram wie Tassen, Schminke und meine Rüschenblusen verschenkt habe! "Zum letzten Mal, liebe Mette, was hat dich gestochen?"

Mich? Nichts. Außer der Ehrgeiz. Aber vielleicht kann Irma mir ja helfen, mein angepeiltes Ziel so effizient wie möglich zu erreichen. "Ich werde die erste echte Lesbe auf der Welt!"

Hätte Irma auf einem Hocker gesessen, wäre sie umgefallen. "Wie bitte? Uns Lesben gibt es seit Ewigkeiten, sogar das Tierreich ist voller Schwestern." Ich wusste, dass sie mich nicht verstehen würde. Immerhin regt sie sich weniger auf als erwartet. "Wer glaubt, eine Lesbe zu sein, weil sie Frauen liebt, irrt sich. Nur weil wir lesbisch leben, sind wir noch lange keine Lesben", flüstere ich. Ohne Vorwarnung kommen mir die Tränen. "Ich habe im Internet gesurft und alles aufgeschrieben, wie Lesben zu sein haben." Meine Liste reicht von asexuell über Männerhasserin, maskulin und militant bis zickig. Von Hanteln ist die Rede, vom Rauchen, aus Flaschen trinken, Bauarbeitergang. Von Rüschen, Schminke oder Dauerwelle nicht. "Lies mal. Kennst du irgendeine, die all das erfüllt?" Irma reicht mir ein Taschentuch.

"Man wird doch kein Schuh, nur weil man ihn anhat", wirft sie ein und drückt die Zigarette im Aschenbecher aus. "Mette, das sind doch nur Vorurteile!" Ich schnäuze mich und versuche zu erklären, was ich meine. "Klischees sind praktisch. Mit denen wirst du, was immer du sein willst. Wenn ich dem Bild einer Lesbe entspreche, bin ich eine. Und ich will eine Lesbe sein. Eine richtige echte Lesbe. Blöd ist nur, dass sich die Klischees so widersprechen. Einerseits sind wir asexuell, andererseits soll kein Rock vor uns sicher sein", seufze ich theatralisch. Irma rührt in ihrem Tee. "Blödsinn. Liebe Mette, eine Lesbe ist eine Lesbe ist eine Lesbe. Solange sie sich für eine hält. Nebenbei bemerkt, hasst du Sport und erst recht Bier aus der Flasche." Verlegen knispele ich am Bieretikett. "Um endlich eine echte Lesbe zu werden, tue ich alles. Da ist nur ein Problem. Hast du eine Idee, wie ich die widersprüchlichen Klischees unter einen Hut bekomme?" Irma rollt die Augen und setzt neuen Tee auf.