Dienstag, 19. März 2024
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Kolumne #11

Mettes Geburtstag

"Wen laden wir ein?", fragt Irma und ich stelle mich blöd. "Du machst ein Fest?" Sie weiß, dass ich niemanden sehen will an meinem Geburtstag– auch wenn er auf den 31. Juli fällt, den internationalen Tag der Freundschaft. Ich ziehe den Telefonstecker, das Handy wird abgeschaltet und meine Wohnung verwandelt sich zur Festung.

"Her mit deiner Agenda!", ruft Irma und zieht mitten auf dem Trottoir an meiner Schultertasche. "Ich schreie, wenn du nicht sofort loslässt", drohe ich. Warum soll ich mich mit allen Frauen, mit denen es nicht sein hat sollen, in einen Raum pferchen lassen?

"Dieses Jahr wirst du dich nicht drücken, liebe Mette!" Irma lässt nicht locker. "Auch wenn du darunter leidest, dass die Frauen in deinem Leben ein- und ausgegangen sind."

Früher dachte ich mir die Liebe als lebenslängliches Beziehungsbankett im Schlaraffenland. Leider lernte ich sie als Fastfood aus dem Schnellimbiss kennen. Ehe ich mich an eine neue Beziehung gewöhnt hatte, war sie schon zu Ende. Zwar bin ich nicht ohne Hoffnung, die Frau für immer zu finden, aber.

"Was zickst du so?", unterbricht Irma mein Grübeln.

"Wenn ich eine Ziege wäre, würde ich meckern", antworte ich und hoffe, den Schlagabtausch auf einen Nebenschauplatz verlegen zu können, wie G. W. Bush es vorlebt.

Meine persönliche Achse des Bösen bleibt hartnäckig. "Lass uns doch die Chance, dir gemeinsam zu danken. Deine Freundschaft trocknete uns immer wieder die Tränen, welche die Liebe verursacht hatte."

"Liebe Irma, zu viele Taschentücher in der Hose tragen auf. Ich vertrage nur eine durchgeknallte Freundin auf einmal."

"Lass dich feiern", bittet Irma. "Du hast nichts anderes zu tun, als dich einladen zu lassen." Sie streichelt über meine Wange. Die Berührung erinnert mich an unsere Liebe: Sie war eine Blüte des Augenblicks. Nach einigen Monaten des Reifens im Schatten der Trauerweide ernteten wir unsere Freundschaft. Die weiß ich sehr wohl zu genießen. Doch zu viele verschiedene Früchte verderben den Magen: Freundschaft ist nun einmal kein Obstsalat.

"Im Altgriechischen bedeutet das Wort philia sowohl Freundschaft als auch Liebe", sagt Irma. "Und deren letzte Phase ist die Gemeinschaft des Geistes und der Erinnerung. In Freundschaft färben wir das, was war, positiv ein und lassen es über eine bloße Liebe hinausgehen. Eine Liebe, die einfach nur endet, hat nie begonnen."

Ich gebe mich geschlagen und frage: "Was soll ich anziehen?"

"O Göttin, lass Geduld regnen! Wie wäre es mit irgendetwas in Blau?" Die leise Ironie in Irmas Stimme entgeht mir nicht. Ich kann gerade noch meine Verwandlung in eine Ziege stoppen.

Zweifellos hat sie Recht, mein Kleiderschrank ist voll von ultramarinfarbenen Kleidungsstücken. Ich bin Blaufan, das würde jede meiner Freundinnen ohne Zögern unterzeichnen.

Im Verbund könnten sie mir sogar meine Autobiografie schreiben: Jede steht für einen Lebensabschnitt und besitzt ein Tintenfässchen meiner Seele. Gemeinsam wissen sie einfach zu viel von mir. Wer möchte schon ein offenes Buch sein? Ein kleines Geheimnis braucht jede Frau. Gerade an ihrem Geburtstag.