Dienstag, 19. März 2024
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Kolumne #33

Neulich in der Waschküche

Mit spitzen Fingern fische ich den fremden Slip aus dem Trockner. Rot und winzig. "Du, Irma", frage ich meine beste Freundin, "darf ich mal frauenfeindlich sein?" Wozu hat frau schließlich eine beste Freundin, wenn sie mit ihr nicht über andere Frauen herziehen kann? Zum Beispiel über die Nachbarin, deren Wäsche so rot ist wie ihr Gesicht.

"Du willst also wieder einmal tratschen. Dabei weißt du ganz genau, dass ich es hasse, wenn über Frauen hergezogen wird." Irma faltet den Tanga. "Klatschen ist frauenfeindlich. Auch wenn es sozialer Kitt ist." Sie zuckt mit den Schultern und grinst. "Dabei liebe ich Promisendungen und Hochglanzmagazine."

Und das von meiner Irma? "Ich dachte, du liest nur feministische Newsletter, Gender Studies und die Wir Frauen!"

Ungerührt reinigt Irma das Flusensieb des Trockners. "Eine echte Feministin richtet ihr Augenmerk dorthin, wo es um die Regeln und Werte geht, die für die Gesellschaft gelten. Und schon sind wir da gelandet, wo die Reichen und Schönen ihre schmutzige Wäsche abladen."

Meine Nachbarin ist weder reich noch schön. Die schafft es nie in die Klatschspalten.

"Je mehr eine Person in der Gesellschaft bedeutet, Mette, desto lieber werden über sie Gerüchte verbreitet. Egal, ob die stimmen oder nicht."

Meine Nachbarin ist doch nicht prominent. Aber sie nervt. Sie ist heterosexuell. Gut, dafür kann sie nichts. Aber für ihr Orgasmusgequieke, jede Sonntagnacht gegen viertel nach zwei. Eine mauzende Katze ist nichts dagegen. Und knallt nicht mit den Türen.

"Tratsch ist das Flusensieb der sozialen Waschküche." Irma schließt die Trocknertür. "Allerdings werde ich mich hüten, abwertend zu klatschen. Sonst werde ich schnell selbst das Ziel böser Gerüchte. Nur Gutes festigt soziale Bündnisse auf Dauer."

Missmutig pfeffere ich die nächste Ladung Wäsche in die Maschine.

"Mette, auch die Nachbarn wollen unterhalten werden. Mit Gerüchten, Storys und einer Prise exklusivem Wissen."

Da hätte ich mit meinem Quiekemäuschen durchaus eine Chance. Aber wenn ich sie hören kann, wie ist das mit ihr? Kann sie etwa? Letztens hatte ich das Fenster offen! Ich will gar nicht daran denken, wer mich alles hat hören können. Ich werde so rot wie der nachbarliche Slip.

"Irma, lass uns gegen den Klatsch demonstrieren, eine Denkwerkstatt einberufen, eine Petition auf den Weg bringen. Ein Gesetz muss her, am besten mit Höchststrafe."

Irma lacht. "Klatsch in der Gemeinschaftswaschküche ist im Grunde der optische Aufheller für moralischen Dreck."

"Soll doch die Gesellschaft vergilben! Ich plädiere für Verbannung bei Tratsch. Oder wenigstens die Todesstrafe!"

Irma winkt mit einer einzelnen Socke. "Die Todesstrafe funktioniert noch nicht einmal als Abschreckung. Sag mal, über wen wolltest du eigentlich lästern?"

"Ach, vergiss es." Soll die Nachbarin in ihrem Schlafzimmer so viel schreien wie sie will. Wenn sie nur in der Waschküche schweigt. Eine Hand wäscht die andere.