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Die Zeit von 1990 bis 1999

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Das letzte Jahrzehnt bringt einige wichtige und elementare Änderungen. Der Paragraph 175, über hundert Jahre das staatliche Instrument gegen Schwule, wird aufgehoben. Homosexualität ist genauso frei wie Heterosexualität.

Erstmals in der Geschichte Deutschlands gibt es mit der eingetragenen Partnerschaft eine offizielle Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen.

Trotz aller Fortschritte in Deutschland darf man aber auch nicht übersehen, dass Deutschland in seiner Gesetzgebung immer noch weit zurück liegt hinter Ländern wie den Niederlanden, Dänemark und Frankreich. Noch immer gibt es Institutionen wie die Kirche und die Bundeswehr, die mit veralteten Meinungen ihre Vorurteile untermauern und so Homosexuelle diskriminieren.

18.02.1990

DDR: In Leipzig wird der SVD ("Schwulenverband in der DDR") gegründet

25.03.1990

In der Fernsehserie "Lindenstraße" wird ein Kuss zwischen Carsten Flöter und Robert Engel gezeigt. Nach der Sendung laufen zahlreiche, z.T. heftigste Proteste beim WDR ein.

20.04.1990

Bei einem Angriff von ca. 300 Rechtsradikalen auf das Schwulenlokal Mocca Bar in Berlin werden etwa 50 Menschen verletzt.

27.10.1990

Die Wiedervereinigung der BRD und der DDR führt zu einem Rechtsungleichgewicht: Im Westteil gilt noch der §175, in der DDR nicht mehr. Verfahren werden nach dem "Tatortprinzip" abgeurteilt. Schwule und Lesben fordern daher bei einer Demo in Berlin die Abschaffung des §175.

30.07.1991

Ein Hauptfeldwebel wird wegen Sex mit einem Untergebenen degradiert. Die Richter begründen diese Entscheidung wie folgt: "Die homosexuelle Betätigung mit Untergebenen sei schlechthin unerträglich, weil sie nicht nur die Autorität des Vrogesetzten, sondern auch die Gehorsamkeitsbereitschaft des Untergebenen mindert..."

26.09.1991

Der Fuldaer Erzbischof Dyba bezeichnet Mitglieder der Frankfurter AIDS-Hilfe, die während einer Messe den Dom stürmen, als "Chaoten", "randalierende AIDS-Positive" und "hergelaufene Schwule". Weiterhin sagte Dyba: "Im Dritten Reich ist die SA auch schon auf dem Fuldaer Domplatz erschienen, um Gläubige einzuschüchtern. Aber noch nicht einmal im 3. Reich sind die Nazis in den Dom eingefallen.". Am 16. Oktober beginnt die Fuldaer Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung gegen Dyba zu ermitteln. Erst, nachdem Dyba seine Äußerungen widerruft, wird des Verfahren gegen ihn eingestellt.

17.08.1992

Charlotte von Mahlsdorf wird das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

10.12.1991

Rosa von Praunheim outet in der RTL-Sendung "Explosiv" den TV-Entertainer Hape Kerkeling und Moderator Alfred Biolek als Schwule. Die Aktion entwickelt sich zum Skandal, das für und Wider des Outings wird noch wochenlang in den Medien diskutiert.

01.01.1993

Die WHO (World Health Organisation) streicht die Homosexualität aus dem International Code of Deseases. Sie war dort seit der ersten Veröffentlichung 1948 unter der Nummer 302.0 als psychische Krankheit geführt worden.

13.10.1993

Das Bundesverfassungsgericht weist die Klage zweier Schwuler zurück, denen die Heirat am Nürnberger Standesamt verweigert wurde. Die Geschlechtsverschiedenheit, so die Richter, gehöre zu den prägenden Merkmalen einer Ehe. Allerdings sei zu klären, inwiefern die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare in ihrer privaten Lebensgestaltung sowie im Vergleich mit Ehepaaren verfassungsgemäß sei.

10.03.1994

Der Bundestag beschließt mit großer Mehrheit die Streichung des §175 StGB. Der geänderte §182 (Verführung) schützt nun Jugendliche unter 16 Jahren unabhängig von ihrem Geschlecht vor sexuellem Missbrauch.

18.06.1994

Zum CSD 1994 in Berlin erscheint die taz als Homo-taz. Alle darin erschienenen Artikel sind ausschließlich von lesbischen und schwulen Autoren erstellt worden.

11.12.1994

Frankfurt: An der Kreuzung Schäfergasse/Alte Gasse wird ein Mahnmal für die im dritten Reich verfolgten und ermordeten Homosexuellen eingeweiht. Der Platz wurde von Rosemarie Trockel entworfen. Der Platz ist kreuzförmig aufgeteilt. In der Mitte steht ein Engel, dessen Kopf abgeschlagen und leicht verdreht wieder aufgesetzt wurde. Dieser soll die vielfältige Gewalt, die Schwulen und Lesben im dritten Reich angetan wurde, symbolisieren.

29.04.1995

Am 50. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau wird mit einem Denkmal auch an die homosexuellen Opfer gedacht. Der dreieckige Stein in Rosa symbolisiert den rosa Winkel. Er trägt die Aufschrift "Totgeschlagen - totgeschwiegen".

07.06.1996

Am Tag vor der ersten CSD-Parade in Sachsen-Anhalt stürmen Polizisten das Schwulenlokal "Zoom" in Halle. Während der Razzia müssen sich die Gäste ausziehen und auf den Boden legen. Sie werden mit Plastikhandschellen gefesselt, sie werden mit einer Videokamera gefilmt und nach ihren Personalien befragt.

04.12.1996

Eduard Stapel erhält den Verdienstorden der Bundesrepublik für seinen Einsatz für die Rechte der Schwulen in der DDR. Stapel ist der Gründungsvater des SVD.

11.04.1998

USA: George Michael outet sich. Der Pop-Star war am 8.4.1998 wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet worden. Er hatte versucht, eine Zivilstreife zum Sex zu animieren. Der Skandal jedoch blieb aus. George Michael geht in die Offensive, spricht frei über seine Homosexualität. Seine Fans und die amerikanische Presse danken es ihm mit Anerkennung.

06.03.1999

Der SVD öffnet sich den Lesben, der Namen wird auf LSVD erweitert.

06.04.1999

Hamburg: Erstmals in der Deutschen Geschichte gibt es eine staatlich anerkannte Eintragung von homosexuellen Paaren: Die Hamburger Ehe. Allerdings ist diese Form der "Ehe" nur ein symbolischer Akt. Die Eintragung hat keinerlei rechtliche Folgen. Alle rechtlich relevanten Gesetze wie das Erb-, Steuer-, Adoptions- und Zeugnisverweigerungsrecht können nur durch die Änderung bundesdeutscher Gesetze erreicht werden.

23.08.1999

München: Zwei Freunde werden nach einem Besuch der Münchner Szene angegriffen, einer der beiden wird schwer verletzt. Die Täter können unerkannt entkommen.

Bald darauf werden weitere Überfälle bekannt, das US-Blatt "Advocate" rät von einem Besuch Münchens ab.

01.12.1999

Berlin: Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin (SPD) verspricht einen Gesetzesentwurf, der den Lesben und Schwulen den Weg in die gesetzlich anerkannte Partnerschaft ebnen soll. Der Entwurf enthält einen zweistufigen Plan, der in der ersten Stufe alle Rechte ändert, die nicht der Länderentscheidung bedürfen. Bis zum Ende des Jahres wird das Gesetz jedoch nicht eingebracht.

Der LSVD und andere Organisationen protestieren gegen diesen Entwurf, da er in der ersten Stufe fast nur Pflichten, aber kaum Rechte vorsieht.

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